Tipps aus Befragungen ehemaliger Teilnehmer
Interview mit Helene Wiebe, Mitarbeiterin der Deutschen Fernschule
Eine meiner Aufgaben ist es, Befragungen unter Familien durchzuführen, die nach ihrem Auslandseinsatz zurückgekommen sind nach Deutschland. In diesen Fragebögen finden wir ganz viele wertvolle Tipps dafür, wie man sich denn auf eine Rückkehr in die Heimat vorbereiten kann. Das würden wir gerne weitergeben an Familien, die diese Erfahrung noch nicht gemacht haben.
Für Kinder ist es womöglich überhaupt keine Rückkehr, sondern sie kommen tatsächlich manchmal in die Fremde, weil sie vielleicht ihr ganzes Leben im Ausland verbracht haben. Deswegen ist es gut, da das Bewusstsein zu schärfen.
Wenn Kinder einen Teil ihrer Kindheit im Ausland verbringen, dann sind sie natürlich anders geprägt als Kinder, die nur in Deutschland aufwachsen. In der Literatur werden solche Auslandskinder manchmal auch als „hidden immigrants“ bezeichnet - also „versteckte Immigranten“. Eine Mutter beschrieb das mal so, dass sie sagte: „Mein Sohn sieht ‚deutsch‘ aus und spricht akzentfrei Deutsch. Seinen Lehrern war gar nicht bewusst, dass er anders geprägt ist als seine Mitschüler.“
Eltern melden uns, dass es für Familien, die in absehbarer Zeit nach Deutschland zurückkommen werden, hilfreich ist, bei vielen Gelegenheiten mit ihren Kindern darüber zu sprechen: „Was wird in Deutschland anders sein? Was wird sich überhaupt für uns verändern?“, wenn Abschiede und Neuanfang ganz bewusst gestaltet werden.
Eltern kennen ihre Kinder, sie wissen selbst am besten, wie sie die Möglichkeit ergreifen, ein positives Bild von dem Neuanfang malen. Es kann aber auch ganz hilfreich sein, vorsichtige Hinweise darauf zu streuen, dass es Herausforderungen geben kann. Dann ist ein Kind vielleicht nicht ganz so irritiert, wenn es in Deutschland merkt, dass es bestimmte Gepflogenheiten nicht kennt oder sich in bestimmten Bereichen nicht so auskennt. Dass es sich dann erinnert: „Okay, das wusste ich, dass das kommt. Ich bin darauf vorbereitet. Und wir finden einen Weg da heraus.“
Wenn Kinder bisher nur den Fernunterricht kennen und dann absehbar wird: „Jetzt muss ich bald in Deutschland in eine Schule gehen“, dann kann es ihnen helfen, wenn Eltern von ihrer eigenen Schulzeit erzählen oder wenn sie sich zusammen die Internetseite der neuen Schule anschauen.
Was Eltern uns nach der Rückkehr als härteste Umstellung im Unterricht weitergeben, ist, dass für bestimmte Aufgaben auf einmal ein festes Zeitlimit gilt, dass zum Beispiel bei Tests und Arbeiten der Lehrer die Abgabe jetzt einfordern kann und dann ist nichts daran zu rütteln. Wir haben ja im Fernunterricht auch vorgegebene Bearbeitungszeiten. Wir möchten gerade Leuten, die sich auf die Rückkehr vorbereiten, ganz dringend empfehlen, das einzuüben, damit das Kind nicht bei der Rückkehr ganz plötzlich mit dieser Situation konfrontiert wird, sondern dass es diesen Stressfaktor vorher schon berücksichtigen kann. Vielleicht für die nächste Zeit einfach einen Wecker daneben stellen, wenn der Test geschrieben wird, und wenn der klingelt, dann wird abgegeben.
Persönliche Kontakte sind natürlich immer wertvoll. Wenn man die Gelegenheit hat, kann man auch schon mit der Klasse in Briefkontakt kommen oder mit einzelnen Mitschülern. Das sind die Sachen, von denen Eltern sehr positiv berichten.
Informationen für Eltern zur Rückkehr ins Heimatland
Informationen für Lehrkräfte
Tipps von ehemaligen Fernschülern
Interview mit Elena, ehemalige Schülerin der Deutschen Fernschule
eingeblendet: Besuch aus Bremerhaven
Elena Schiller: Ich bin die Elena. Ich bin eine ehemalige Schülerin von euch. Ich bin jetzt 26 und eingeschult wurde ich mit der Deutschen Fernschule in Papua-Neuguinea.
eingeblendet:
1993-1994 Ruanda
1997-2002 Papua-Neuguinea und England
heute am Forschungsinstitut für Meeresbiologie
Elena Schiller: Die Fernschule hat mir ermöglicht, zu einer ganz prägenden Zeit in meinem Leben an einem Ort zu sein, an dem ich Erfahrungen machen konnte, die ich so in Deutschland nicht hätte machen können. Wenn es die Fernschule nicht gäbe, dann hätten meine Eltern vor der Einschulung wieder zurück nach Deutschland fahren müssen. Und dann wären mir die Erfahrungen, die ich jetzt so schätze, verloren gegangen. Die hätte ich so nicht gemacht.
Frage: War es denn deinem Bruder und dir bewusst, dass ihr irgendwann nach Deutschland zurückkommen werdet?
Elena Schiller: Es war immer klar, dass wir dauerhaft wieder nach Deutschland zurück gehen würden. Und meine Eltern haben auch sehr darauf geachtet, dass ich das Wort “zurück” mit Deutschland verbinde. Dass mir und auch meinem Bruder klar ist, dass wir nur temporär in einem Land sind, wo wir zu Gast sind und eine Rückkehr immer “nach Deutschland” bedeutet.
Frage: Wie ging es denn deinen Eltern? Wie haben die denn die Rückkehr nach Deutschland erlebt?
Elena Schiller: Also die Rückkehr nach Deutschland wurde von meinen Eltern ganz anders empfunden als von mir. Meine Mutter war unheimlich froh, wieder nach Deutschland permanent zurückzugehen. Sie hatte sich schon sehr lange darauf gefreut, weil sie einfach müde war. Weil diese ganzen Erfahrungen die man im Ausland macht, soviel… so anstrengend sind oft. Also natürlich macht man tolle Erfahrungen und spannende Erfahrungen, aber eben auch anstrengende Erfahrungen. Man erlebt auch viel Frust, weil Dinge nicht so funktionieren, wie man sich das vorher vorgestellt hat. Weil man immer wieder mit irgendwas konfrontiert ist, was man nicht kennt. Und da war sie eben sehr froh, dass wir wieder nach Deutschland zurückgegangen sind. Und sie wollte, glaube ich, auch einfach ankommen.
Für sie war das “Zuhause” und sie wollte auch von… Sie wollte auch, dass unsere Familie das als Zuhause empfindet. Also sie hat, glaube ich, nicht damit gerechnet, dass ich das nicht als Zuhause empfinde. Weil sie ja auch immer sehr darauf geachtet hatte, dass Zuhause als… dass Deutschland als Zuhause empfunden wird. Aber das ist halt einfach nicht so gewesen. Und da hat sie auch viel damit zu kämpfen gehabt, das sie dass auch, glaube ich, gar nicht verstanden hat, dass ich das eben anders wahrgenommen habe als sie.
Wenn ich jetzt eine Empfehlung aussprechen darf für die Eltern oder einen Wunsch artikulieren darf gegenüber den Eltern: Bitte schaut darauf, wie es eurem Kind geht, vor allem bei der Rückkehr nach Deutschland. Vor allem in der Zeit nach der Rückkehr nach Deutschland. Meiner Meinung nach ist die Arbeit mit dem Kind in Deutschland nach der Rückkehr das Wichtigste. Weil wenn ihr Deutschland dem Kind als Heimat anbietet, aber es diese Heimat nicht so empfindet, dann hat es gar keine.
Frage: Du hast uns erzählt, dass du dich nicht gut auf die Rückkehr vorbereitet gefühlt hast. Hast du vielleicht einen Tipp, was Erwachsene besser machen können?
Elena Schiller: Erwachsene oder auch Organisationen, die Familien ins Ausland schicken oder ins Ausland begleiten, gehen immer davon aus, habe ich den Eindruck, dass die Geschichte zu Ende ist mit der Rückkehr nach Deutschland. Deutschland ist Zuhause, und wenn du wieder da bist, bist du wieder Zuhause und alles ist gut. Und du machst einfach weiter.
Das ist aber oft einfach nicht der Fall. Weil für die Kinder bedeutet die Rückkehr nach Deutschland einen Bruch in ihrer Biografie, einen Bruch mit ihrer Lebenswirklichkeit, weil alles plötzlich anders ist. Und ich weiß ja nicht, wie das heutzutage gehandhabt wird, weil meine Erfahrungen jetzt schon 20 Jahre her sind. Aber ich sag mal, ich würde mir wünschen, dass da ein Umdenken stattgefunden hat, dass man ganz bewusst mit den Kindern an der Rückkehr arbeiten muss.
Weil wenn man ins Ausland geht, dann geht man ins Ausland als Deutscher. Zumindest Erwachsene, wenn sie ins Ausland gehen, sagen sie: Ich bin deutsch, ich geh ins Ausland. Wenn sie dort feststellen, dass sie dort anders sind, ist das nicht so schlimm, weil damit kann man umgehen. Darauf hat man sich ja eingestellt. Das ist normal.
Die Kinder wachsen aber in dieser Normalität auf oder werden von dieser Normalität geprägt. Und wenn die Kinder anders sind als ihr Umfeld, ist das für sie… natürlich immer schwierig, weil man ist… anders sein ist als Kind, glaube ich, immer schwierig, aber es ist trotzdem noch aushaltbar, weil man ja ein “zurück” hat. Es gibt diesen Ort, den die Eltern beschreiben, also dieses Deutschland, wo man hin zurückgeht, und wo dann alles irgendwie dann normal ist.
Aber wenn die Kinder nach Deutschland kommen, sind sie trotzdem Aliens. Also sie sind dann anders. Und sie können es nicht mehr erklären mit: Naja, das ist ja auch nicht der Ort, wo ich hingehöre.
Und ich denke, dass man die Kinder da auffangen muss.
Erfahrungsbericht
Zweimal Bangladesch, zweimal Deutschland
Interview mit Lizzy, ehemalige Schülerin der Deutschen Fernschule
In Afrika habe ich zwölf Jahre gelebt – bis zu meinem zwölften Lebensjahr. Und zwischendurch waren wir immer im Heimataufenthalt für ein Jahr oder für die Sommerferien in Deutschland.
Ich sehe es als Privileg, in Afrika aufgewachsen zu sein, in Tansania als Missionarskind, weil ich denke, ich habe dadurch einen erweiterten Horizont und habe schon mal über den Tellerrand geschaut.
Der Fernunterricht war für mich eine sehr gute Lernform – vielleicht sogar die beste Lernform, weil ich mich in großen Klassen – wie es hier in Deutschland üblich ist – , immer sehr leicht ablenken lasse. Ich konnte mich besser konzentrieren im Fernunterricht. Wenn ich Unterricht alleine hatte oder mit wenigen Kindern zusammen.
Meinem Papa war immer sehr wichtig, dass wir nach Deutschland zurückkommen, um uns hier als Familie einzuleben, bevor wir Kinder schon so alt sind, dass wir ausziehen und vielleicht in einer anderen Stadt studieren. Das ist mir auch sehr wichtig.
Ich finde es sehr positiv, dass meine Eltern so offen damit umgegangen sind. Ich war damals ja auch schon zwölf. Man hat ja schon alles verstanden und wusste: Okay, man wird hier wegziehen und nicht so schnell wiederkommen. Das hat glaube ich auch der ganzen Familie geholfen, bewusst Abschied zu nehmen.
Wir haben dann im letzten Jahr noch mal besonderen Urlaub gemacht. Wir durften uns – jedes Kind durfte sich ein Möbelstück aussuchen. Das sind Sansibar-Kisten, die sind besonders geschnitzt. Da haben uns unsere Eltern mitgenommen und jeder durfte sich wirklich seine aussuchen. Das ist immer noch etwas Besonderes.
Nach der Rückkehr, also als wir von Afrika wieder nach Deutschland gekommen sind, war das im Umgang mit meinen Freunden eine große Veränderung, also die Freunde, die ich dann hier hatte, dass ich die ganzen Serien nicht kannte und die Slangwörter – ja besonders in der Sprache und den Gesprächsthemen habe ich schnell gemerkt, dass ich viel aufzuholen hatte oder nicht auf dem gleichen Stand war wie andere in meiner Klasse oder sonst wo in meiner Freizeit.
Ich war am Anfang wie eine Attraktion und alle wollten wissen: „Okay, wie ist es in Afrika? Erzähl doch mal!“ Das konnte ich damals nicht als etwas Positives sehen. Ich wollte lieber so sein wie alle anderen, mich anpassen und möglichst nicht auffallen.
Ein paar Jahre später habe ich gemerkt, dass es anders für mich war, an einem Ort zu wohnen. In Afrika sind wir spätestens nach vier Jahren umgezogen. Deswegen war ich gar nicht gewohnt, Freundschaften auch mal länger als vier Jahre zu haben.
Ich kann mir sehr gut vorstellen, noch einmal ins Ausland zu gehen. Ich kann mir auch vorstellen, im Ausland mal für längere Zeit zu arbeiten, so wie meine Eltern das gemacht haben. Vielleicht nicht gleich dreizehn Jahre, so lange, wie die im Ausland waren, aber eine kürzere Zeit. Vielleicht kann ich dann auch im Ausland als Lehrerin arbeiten.