Der Deutschunterricht an Grundschulen in Deutschland wird oftmals nicht mehr als Einzelfach von je 45 Minuten unterrichtet. Er ist eingebunden in den Anfangsunterricht bzw. zusammen mit Mathematik, Heimat- und Sachkunde, Musik, Bewegungserziehung und Kunst in den „Grundlegenden Unterricht”, welcher ca. 17 Wochenstunden umfasst. Zusätzlich gibt es meist noch wöchentliche Förderstunden für lern- und leistungsschwache Kinder sowie tägliche Hausaufgaben in Deutsch und Mathematik. Der komplexe Prozess des Lesen- und Schreibenlernens bedarf viel Zeit und einer intensiven Übung. In der Regel entfallen im Anfangsunterricht der Grundschulen täglich mindestens zwei Zeitstunden auf das Erlernen des Lesens und Schreibens, wobei Sachthemen, Bewegung und Basteleinheiten miteinander verbunden werden.
Fernschulkinder wachsen in sehr unterschiedlichen Lern- und Lebenssituationen auf, die mit denen von Grundschulkindern in Deutschland nicht vergleichbar sind. Einige Kinder im Ausland besuchen vor dem Beginn des Fernunterrichts Kindergärten oder Nursery Schools, in denen sie zum Teil schon ab 3 Jahren die Druckbuchstaben mit ihrem richtigen Schreibverlauf kennenlernen – allerdings oft verbunden mit der Aussprache der entsprechenden Landessprache oder der englischen Sprache. Dadurch können sie oft schon Wörter in der Sprache des Gastlandes oder in Englisch erlesen und schreiben. Auf der anderen Seite haben Kinder im Ausland wenig Möglichkeiten, Deutsch zu hören und zu sprechen, sodass die Sprachkompetenz (Wortschatz, Grammatik, Sprachgefühl bzw. die „phonologische Bewusstheit” etc.) für die deutsche Sprache teilweise wenig ausgeprägt ist.
Aus unserer langjährigen Erfahrung im Fernunterricht wissen wir, dass diese Situation eine besondere Herausforderung für die Kinder darstellt. Manche unserer Fernschulkinder besuchen eine internationale oder örtliche Schule, die Unterricht oftmals bis in den Nachmittag hinein anbieten. Der D1-Kurs wird parallel absolviert.
Um die Kinder mit ihren jeweils unterschiedlichen Lernausgangslagen möglichst optimal zu fördern, arbeitet der vorliegende Kurs mit zwei Ebenen:
Er kombiniert einen systematischen Lehrgang mit offenen Lernmethoden.
Am Anfang steht das kommunikative Element der Schrift: Kinder wollen schreiben lernen und sich über die Schrift mitteilen. Deshalb gibt es vielfältige Übungen im Zusammenhang mit dem Buchstaben-Baum (= Anlauttabelle) und der lautgetreuen Verschriftung von Wörtern, die sich durch den gesamten Kurs hindurchziehen und dabei weiter vertieft werden.
Parallel werden systematisch alle Buchstaben und Buchstabenkombinationen (z.B. sch, ng, ch) eingeführt und geübt. Dabei werden gezielt die Fertigkeiten trainiert, die im Schreiblernprozess von Bedeutung sind: Heraushören eines Lautes (Phonem) innerhalb eines Wortes, Zuordnung des entsprechenden Buchstabens (Graphem) und normgerechtes Schreiben des Buchstabens. Anhand der systematisch erarbeiteten Buchstaben entwickelt sich auch der Leselehrgang. Hierbei spielt vor allem unsere selbst entwickelte Fibel „Ich bin Susi“ eine wichtige Rolle, deren Text das Kind von Anfang an selbst mitlesen kann und dadurch immer wieder Neues von Susi und ihrer Familie erfährt.
Auf diese Weise lernen die Kinder im Laufe des Kurses, alle Druckbuchstaben
zu schreiben und lauttreue und altersangemessene Wörter und Sätze zu erlesen. Gleichzeitig erhalten alle Kinder von Anfang an die Möglichkeit, Wörter selbst zu verschriften.
Vielfältige Schreibanlässe bieten immer wieder Gelegenheit, selbst kreativ zu werden und eigene Texte (Wörter, Sätze, Geschichten) zu schreiben.
Mit diesem Kurs bieten wir einen Rahmen, in dem Ihr Kind die Schrift aktiv entdecken und (re-)konstruieren kann und in ihrem Gebrauch zunehmend sicherer wird. Hierzu werden Sie immer wieder Inhalte und Angebote zu den folgenden Bereichen finden:
- Systematische Einführung der Buchstaben (Schreib- und Leselehrgang)
- Freies Schreiben von eigenen Texten
- (Vor-)Lesen von kleinen Geschichten und Kinderliteratur bzw. Verweise auf weiterführende (Vor-)Leseangebote
Das Erlernen der Schriftsprache setzt Einsichten in deren Struktur voraus. Lese- und Schreibanfänger müssen verstehen lernen, dass Buchstaben (Grapheme) und Laute (Phoneme) einander zugeordnet sind. Daraus erwächst die Fähigkeit, schreiben und lesen zu können.
„Der Schriftspracherwerb stellt erhebliche Anforderungen an die sprachlich-kognitiven Fähigkeiten der Kinder. Sie müssen sich von der subjektiv erlebnisbezogenen Vorstellung von Sprache lösen und ihre Aufmerksamkeit auf formale Aspekte von Sprache lenken und sie müssen ihre mündliche Sprache erneut zum Gegenstand der Betrachtung machen, (...) Beim Lesen- und Schreibenlernen muss das Kind die Einsichten in die Schriftsprache nahezu selbst rekonstruieren und die Beziehungen, die zwischen der mündlichen und schriftlichen Sprache bestehen, entdecken, wobei sich dieser Prozess vor allem auf zwei Aspekte beschränkt:
- die Erkenntnis der kommunikativen Funktion von Sprache
- die Einsicht in den Aufbau der Schrift“ (Füssenich, Löffler, 2005)
Das Kind lernt mit Hilfe der akustischen Analyse, aus einem gesprochenen Wort die verschiedenen Einzellaute herauszuhören, um das Wort schreiben zu können. Durch die optische Analyse lernt es, in einem geschriebenen Wort einzelne Buchstaben zu unterscheiden. Dieser analytische Ansatz wird durch das synthetische Verfahren ergänzt, in dem bekannte oder neue Wörter aus schon erlernten Buchstaben oder mit Hilfe des Buchstaben-Baumes aufgebaut werden. Analyse und Synthese von Buchstaben und Lauten sind gleichermaßen wichtig und letztlich nicht voneinander zu trennen.
Lernziele für das 1. Schuljahr im Fach Deutsch
In den Bildungsplänen der deutschen Bundesländer werden Bildungsstandards diskutiert und festgeschrieben. Dabei werden die Lernziele nicht für Klasse 1, sondern für Klasse 2 formuliert, um auf diese Weise Entwicklungsunterschieden Rechnung zu tragen und Handlungsspielräume für den Lehr- und Lernprozess zu erweitern.
In der Reflexion der Entwicklungsschritte des Schriftspracherwerbs haben wir für den Fernschulkurs Deutsch 1 folgende Ziele benannt:
Zum Ende des 1. Schuljahres sollen die Kinder
- die Laut-Buchstaben-Zuordnung beherrschen (Regeln der Phonem-Graphem-Korrespondenz, kurz: PGK-Regeln),
- die Fähigkeit erworben haben, gesprochene Worte auf ihre hörbaren Laute hin zu analysieren,
- lauttreue Wörter verschriften können,
- die Fähigkeit erworben haben, den Blick mehr und mehr auf die formalen
Aspekte der Schrift richten zu können,
- einfache, altersgemäße Texte synthetisierend und sinnverstehend lesen können
sowie
- Erlebnisse verständlich erzählen und diese in kurzen, einfachen Sätzen lauttreu
verschriften können.
Im Deutschunterricht der 1. Klasse geht als also darum, dass Ihr Kind in seiner sprachlichen Ausdrucksfähigkeit gefördert wird und zunehmend lernt, gesprochene in geschriebene Sprache umzusetzen. Dabei wird es sich zunächst an der eigenen Aussprache orientieren („lauttreues Verschriften“), was eine ganz natürliche Phase im Schreiblernprozess darstellt. Vorrangiges Ziel ist, dass das Kind lernt, jeden hörbaren Laut mit dem entsprechenden Buchstaben wiederzugeben. Behutsam wird es dabei auch an erste orthografische Regeln herangeführt, die dann im zweiten Schuljahr im Mittelpunkt stehen werden.
Eine Fibel ist meistens das erste „richtige Schulbuch“, das ein Kind im 1. Schuljahr in den Händen hält. Sie begleitet und unterstützt das Kind bei dem so wichtigen Prozess des Lesen- und Schreibenlernens. Die DF-Fibel „Ich bin Susi“ orientiert sich an einem systematischen Lehrgang der Druckbuchstaben und dient dabei vor allem als erstes Lesebuch für die Kinder. Um die Lesemotivation der Kinder zu fördern und ihnen von Anfang an Erfolgserlebnisse beim Lesenlernen zu ermöglichen, haben wir uns bei der Konzeption unserer Fibel im Wesentlichen von zwei grundlegenden Prinzipien leiten lassen:
- Prinzip 1: Das Wortmaterial sollte weitestgehend aus lauttreuen Wörtern bestehen.
- Prinzip 2: Der Inhalt der Fibel sollte die Lebenswirklichkeit der Kinder aufgreifen und ihnen dadurch wertvolle und motivierende Möglichkeiten zur Identifikation bieten.
Das Prinzip der Lauttreue bedeutet, dass besonders in der ersten Zeit des Lese- und Schreiblernprozesses nur solche Wörter verwendet werden, die eine eindeutige Laut-Buchstaben-Zuordnung aufweisen. Ein Buchstabe steht dabei immer für einen bestimmten Laut und umgekehrt, und es kommt im Wort kein Buchstabe vor, den man beim Sprechen des Wortes nicht hört. Solche lauttreuen Wörter bestehen meistens aus einfachen Konsonant-Vokal-Verbindungen, wie etwa
bei „Oma“, „Lilo“ oder „Salami“. Auf den Fibelseiten 1–15 werden ausschließlich solche Wörter verwendet (abgesehen von den Überschriften, die von Ihnen als Lernhilfe gelesen werden können). Später kommen dann Buchstabenverbindungen hinzu, die auch für einen ganz bestimmten Laut stehen und deshalb ebenfalls als lauttreu gelten (sch, au, ei, eu).
Wenn man den Kindern im Rahmen der Fibel ansprechende, motivierende und lebensnahe Lesetexte anbieten will, kommt man mit ausschließlich lauttreuem Wortmaterial jedoch nicht aus. Es ging uns deshalb bei den Texten darum, beides – sowohl das Prinzip der weitestgehenden Lauttreue als auch das Prinzip der emotionalen Bedeutsamkeit der Inhalte für die Kinder – zu beachten und daraus ein kindgemäßes Erstlesewerk zu erstellen.
Damit sich die Kinder mit ihrem eigenen Erleben in den Texten wiederfinden können, greifen die Inhalte der Fibelgeschichten Situationen der Lebenswirklichkeit der Kinder auf (Prinzip 2). Anhand der Geschichten von Susi und ihrer Familie werden ganz verschiedene Gefühle und Erlebnisse angesprochen, die für Kinder in diesem Alter von Bedeutung sind. Situationen, in denen Freude, Geborgenheit oder Spaß am gemeinsamen Spiel erfahren und gelebt wird, gehören ebenso dazu wie das Gefühl von Angst vor Unbekanntem oder die Situation des Abschiednehmens.
Mit den Texten sollen den Kindern auch grundlegende Werte vermittelt werden, die ihnen zur Orientierung im Leben verhelfen. In erster Linie gehört dazu, sich selbst und die Menschen, mit denen sie zusammenleben, mit ihrer jeweiligen Persönlichkeit anzunehmen, wertzuschätzen und zu achten. Dabei kommt auch das Leben in anderen Kulturen zur Sprache, beispielhaft erzählt an Begegnungen mit Kindern aus anderen Ländern. Darüber hinaus werden die Kinder dazu herausgefordert, Mut zu entwickeln und Neues auszuprobieren, erfahren aber auch etwas von den Folgen leichtsinnigen Verhaltens. Auch der Umgang mit Erfolg und Misserfolg, der Stolz auf die eigene Leistung sowie das Annehmen eigener Schwächen werden thematisiert.
Auf diese Weise leistet die Fibel also auch einen Beitrag zur Persönlichkeitsbildung des Kindes und zum interkulturellen Dialog.
Schreiben ist mehr als nur Bewegung: Es ist ein psychomotorischer Prozess, bei dem kognitive, auditive, visuelle und grafomotorische Aspekte miteinander verknüpft sind.“ (Topsch, 2005)
Kinder sind individuell verschieden und steigen mit unterschiedlichen Lernvoraussetzungen in den Schreiblernprozess ein. Sie haben mehr oder weniger Vorerfahrungen im Malen und Zeichnen – Hinsichtlich Stifthaltung, Genauigkeit, Sorgfalt und in Bezug auf das Abmalen von Formvorlagen. Die Entwicklung der Schreibmotorik beginnt also nicht erst mit der Einschulung, sondern reicht weit in die Vorschulzeit zurück.
Falls Sie bei Ihrem Kind hier noch größere Defizite beobachten, verweisen wir an dieser Stelle auf folgende Bücher, in denen Sie Übungen zur Feinmotorik und zur Verbesserung grafomotorischer Fähigkeiten finden: Huber, Giezendanner (2005), Stehn (2005).
Damit Ihr Kind möglichst schnell schreiben und lesen lernt, beginnen wir mit der Druckschrift. Die Druckschrift hat sich flächendeckend als Erstlese- und -schreibschrift durchgesetzt. Hierin stimmen alle Rahmenpläne der Bundesländer überein. Die Erarbeitung einer verbundenen Schreibschrift folgt in diesem Kurs als Schreibkurs im 4. Quartal.
Dem Erlernen einzelner Buchstabenformen gehen in den ersten Lektionen Vorübungen zum Schreiben voraus, in denen das Kind lernt, auf Linien zu schreiben und dabei Bewegungsrichtungen einzuhalten. Bei diesen feinmotorischen Übungen werden gleichzeitig Schreibbewegungsabläufe für einzelne Buchstabenformen angebahnt.
Diese Vorübungen und später dann auch die genaue Einhaltung der vorgegebenen Bewegungsabläufe zielen darauf ab, „die Bewegungsmuster für das Druckschriftschreiben möglichst so aufzubauen, dass sie später für die verbundene Schrift lediglich ausdifferenziert, nicht aber umstrukturiert werden müssen.“ (Topsch 2005). In den Umrissbuchstaben geben nummerierte Pfeile den genauen Schreibbewegungsablauf vor, welcher ebenso auch in den Lektionen ausführlich erklärt wird.
Die Erarbeitung eines neuen Buchstabens folgt einem festen Schema: Am Anfang steht die Automatisierung der Laut-Buchstaben-Zuordnung (auditive und visuelle Analyse – s. o.). Danach folgen die Erarbeitung des Schreibbewegungsablaufes des Groß- und Kleinbuchstabens sowie verschiedene Übungen zum Lesen und Schreiben von Wörtern mit dem bereits erarbeiteten Buchstabenmaterial.
Vor allem am Anfang des Druckschriftlehrganges gehen dem eigentlichen Schreiben der Buchstaben großflächige Schwungübungen voraus. Diese dienen sowohl der allgemeinen psychomotorischen Förderung als auch dem Anbahnen von Bewegungsabläufen, die für den jeweiligen Buchstaben wichtig sind.
Die Buchstabenform selbst wird zunächst sehr handlungsorientiert eingeführt: So wird der Buchstabe zum Beispiel geknetet oder mit Sand nachgebildet und anschließend ertastet. Oder er wird riesig auf den Fußboden gemalt, um ihn dann mit großen und kleinen Schritten abzuschreiten. Hierbei haben wir uns für die Methode des Stationenlernens entschieden: Das Kind sucht aus einem wachsenden Angebot jeweils einige wenige passende Übungen aus. Diese in den Lektionen näher beschriebenen Übungen fördern das Kind wiederum in seiner Motorik und helfen ihm, die zu erlernende Buchstabenform handelnd zu
„erfahren“.
Für Kinder, die für den Vollunterricht bei der DF eingeschrieben sind, sind diese Übungen verpflichtend.
Kindern, die im Gastland eine örtliche Grundschule besuchen und den DF-Deutschkurs am Nachmittag bearbeiten, werden diese Übungen freigestellt, da sie einen zeitlichen Mehraufwand bedeuten und oftmals Dinge wiederholen, die in der Grundschule vor Ort bereits eingeübt wurden.
Vorgeschriebene Buchstaben und Wörter im Lehrbrief und in den Lernheften sollte Ihr Kind immer zuerst laut vorlesen, bevor es sie schreibt. Ebenso soll es Selbstgeschriebenes anschließend lesen. Dadurch erfährt es die praktische Notwendigkeit des sauberen, leserlichen und vollständigen Schreibens eines Wortes.